Ein schweizerisches Trendforschungs-Institut prognostiziert, dass wir unsere Reisewege in Zukunft flexibler und vielseitiger gestalten. Züge, Autos, Velos kommunizieren miteinander und wir mit ihnen. Die allgemeine Tendenz lautet: individuelle Mobilität statt Massenverkehr. Um die mobile Welt 2025 zu gestalten, brauche es nicht nur technische Innovationen, sondern vor allem Veränderungen in unserem Verhalten.

Wenig Veränderungen soll es bei der Hardware, also der Verkehrsinfrastruktur, und bei den Bedürfnissen und Einstellungen der Nutzer geben (letzteres auch „Wetware“ genannt, was in diesem Falle so ungefähr „geistig“ bedeutet). Software-Innovationen sollen aber den Zugang zum eigenen Unterwegssein verändern: Smart City und Managed Mobility heissen die Waffen, mit denen Staus und überfüllte Öffentliche bekämpft werden können. Software soll uns also helfen, erwartete Kostensteigerungen abzufedern und uns „bedürfnisgerecht“ fortzubewegen. So soll Mobilität unkomplizierter, schneller, flexibler, „quasi massgeschneidert“ werden. Öffentlicher und individueller Verkehr nähern sich an und verschmelzen gar. Der wirtschaftliche, gesundheitliche und ökologische Wert und das Erlebnis werden uns bewusster.

All das soll uns privat und beruflich flexibler werden lassen.

Und hier die edlen acht prognostizierten Veränderungen, und was ich so davon halte:

1. ÖV, Auto & ich: „Mobilität ist weniger die Wahl zwischen verschiedenen

Verkehrsmitteln als deren Kombination. Dabei werden die Grenzen zwischen ÖV und Individualverkehr immer unschärfer. Der Privatverkehr entwickelt sich zu einem „öffentlichen Verkehr mit privaten Vorzügen“.“

Alles klar, dass ich also mit dem Fahrrad zum Bahnhof gefahren bin, um dort in die Mitfahrgelegenheit zu steigen – höchst modern also.

2. Kontrolle und Sicherheit: „Zentral für die Reisenden ist, dass sie nicht einfach durchs System geschleust werden, sondern jederzeit die Kontrolle über ihren Reiseweg haben und dies auch so wahrnehmen.“

Dass ich also von der Deutschen Bahn mit Verspätung, aber dafür ohne Hinweis auf mögliche Anschlüsse oder Wlan-Zugriff auf die Zugfahrzeiten an nem Umsteigebahnhof abgesetzt werde: höchst unzeitgemäss.

3. Gesundheit und Älter werden: „Wer mobil bleibt, bleibt gesund. Wer gesund bleibt, ist mobil. Die Wechselwirkung macht Busfahren zum Fitness-Programm.“

Stehen dann also bald so Fitness-Fahrräder im Bus, auf denen ich meinen Fahrpreis abstrampeln und gleichzeitig im Internet suchen kann, was „antioxidierend“ bedeutet? Fett!

4. Big data & Massenindividualisierung: „Dank Big Data und dem «Internet der Dinge» kommunizieren Trams mit Bussen, Autos und Zügen und wir mit ihnen. Daten sind der neue Rohstoff, das nächste grosse Ding, an das Wissenschaft und Wirtschaft höchste Erwartungen knüpfen.“

Ich persönlich knüpfe meine höchsten Erwartungen vor allem mit den dadurch langsam möglichen selbstfahrenden Autos und hege die Hoffnung, dass Autobesitz damit endlich diesen Statusfaktor verliert. Und in unseren Städten dann endlich wieder Platz für Leben frei wird.

5. Work, life and balance: „Das öffentliche Leben ist zeitlich und räumlich stark flexibilisiert. Der persönliche Alltag fordert die Systeme, flexiblere Lebens- und Arbeitsstile versprechen aber auch eine bessere Verteilung der Mobilität. Die neuen Arbeitnehmer werden da arbeiten, wo sie Zugriff auf ihre Daten haben.“

Damit liesse sich natürlich viel Pendlermobilität einsparen. Aber leider kann diese Prognose ja wohl nur für Arbeitnehmer gelten, die Daten bearbeiten.

6. Kosten & Preise: „Nicht Mobilität ist teuer, sondern Verkehr. Infrastruktur- Investitionen, Energie- und Umweltkosten führen zu neuen Finanzierungsmodellen und höheren Preisen für den Einzelnen. Sich selbst zu bewegen bleibt gratis. Bewegt zu werden wird 2025 mehr kosten.“

Na hoffentlich nicht: Sich selbst mir dem Auto zu kutschieren sollte doch teurer, und sich befördern lassen billiger werden!

7. Ver- & Entsorgung: „«Green Technologies» allein reichen nicht aus, um Mobilität nachhaltig zu gestalten. Je knapper die Rohstoffe werden, desto lauter der Ruf nach einer verstärkten Kreislaufwirtschaft. Durch intermodale Verkehrsnutzung und E-Mobility entstehen Geschäftschancen für vernetzte Mobilitätskonzepte.“

Dazu fällt mir leider nur Klugscheisserei ein: die meinten bestimmt „multimodal“, weil „intermodal“ eigentlich was mit dem Transportbehälter zu tun hat 😉

8. Stadt & Land : „Stadt und Land driften auseinander. Unterschiede zwischen Stadt-, Regional- und Fernverkehr nehmen zu. Grosse Distanzen zwischen Wohn- und Arbeitsort kann man sich nicht mehr leisten.“

Verkehr ausdifferenzieren hört sich gut an. Aber ich wäre für mehr Land in der Stadt und mehr Stadt auf dem Land, denn genau so können wir uns doch die Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort sparen.

Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB sehen dieser Zukunft frohen Mutes entgegen. Sie dürfen sich mit Worten wie Ruhm, Ansehen, Qualität, Zuverlässigkeit und Verzahnung schmücken – liest sich wie eine Mängelliste der Deutschen Bahn! Sie trauen sich gar zu, zum „Betriebssystem der Mobilität“ der Schweizer werden.

Und nur damit mich keiner falsch versteht: ich bin Bahnfan. Aber liebe Deutsche Bahn: schaut Euch doch einfach mal an, wie’s in der Schweiz läuft.

Quelle: Frerk Froböse, Martina Kühne 2013: Mobilität 2025 – Unterwegs in der Zukunf. Eine Studie des GDI Gottlieb Duttweiler Institute im Auftrag der Schweizerischen Bundesbahnen SBB

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